Liebe MAMA BERLIN, kannst Du mir helfen? Immer wieder werde ich angefragt und ich finde es gut. Wir sollten unsere Probleme ansprechen. Wenn Du auch etwas Unterstützung und Austausch brauchst, wende Dich gerne an mich und schreibe mir.
Vor einiger Zeit bekam ich eine Email einer Mama von Zwillingen. Sie fühlte sich überlastet und bat konkret um Hilfe. Ihr Wunsch: Sie hatte das Buch über Gewaltfreie Kommunikation in Familien – „Dich durch mein Herz sehen“ – von Hanna Brodersen gelesen (ich verlose zwei Exemplare, Infos am Ende des Artikels). Die Prinzipien der Achtsamkeit und des gefühlvollen Umgangs sprachen sie sehr an. Andererseits sah sie sich überfordert damit, selbst gestresst, ruhig und entspannend auf die Kinder einzugehen. Wie sollte das klappen?
Es ist ein häufiger Einwand im Bezug auf Gewaltfreie Kommunikation, das sei ein Luxus-Lifestyle, nicht alltagstauglich, etwas für Hochsensible und Hyper-Empfindsame, zu naiv gedacht …
Die Frage leitete ich weiter an die Autorin Hanna Brodersen. Sie leitet auch eine Facebook-Gruppe zum Thema und hat schon ein paar Mal für MAMABERLIN geschrieben. Und sie schrieb sofort zurück …!
Sicher ist: Einfach ist die Gewaltfreie Kommunikation nicht. Es braucht den Anspruch Selbstreflektion, Empathie und Achtsamkeit zu leben und erfordert ein radikales Umdenken. Meiner Erfahrung nach kann sie – richtig verstanden und praktiziert – bei schmerzhaften Trennung Verbesserungen bringen und auf lange Sicht wieder notwendiges Vertrauen herstellen. Leider sind die Menschen nicht immer bereit, sich ihren Gefühlen zu stellen …
Das schrieb mit die Mama:
„Kürzlich war ich mal wieder so erschöpft, mein ganzer Körper hat weh getan, mein Rücken gebrannt wie Feuer und ich habe die Nacht kaum geschlafen, so dass ich sehr ungehalten zu meinen Kindern war. In einer ruhigen Minute habe ich dann wieder das Buch gegriffen und darin gelesen und viel geweint, weil ich einfach nicht so sein möchte. Ich bekomme Hilfe, dennoch reicht das alles nicht aus, um mich aus der Erschöpfung zu ziehen. Wie kann ich mit der Erschöpfung besser umgehen oder vermeiden, dass daraus verbale Gewalt entsteht?“
So antwortet Hanna:
„Was Sie von sich in Ihrer Frage zeigen, hat mich sehr berührt und ich fühle mich auch deswegen verbunden, weil ich mich schmerzhaft lebendig an die Zeit erinnere, in der ich so gern eine andere Mutter gewesen wäre. Sanfter, kraftvoller, verständnisvoller und vieles mehr. Ich habe Unstimmigkeit zwischen meinen Reaktionen und meinen Werten als überaus leidvoll erlebt und und mich immer wieder erfolglos bemüht, mein Handeln in Einklang zu bringen. Gleichzeitig kann ich heute auch die große Hilflosigkeit, mein Ringen erinnern und mir bewusst machen, dass ich damals mein Bestes gegeben habe. Ich wünsche Ihnen von Herzen in aller erster Linie Mitgefühl, Selbstverständnis und Geduld, Weichheit im Herzen für Ihre derzeitige Lebendigkeit und Vertrauen darauf, dass Veränderungen möglich sind und bei der liebevollen Annahme für das eigene Handeln beginnen …
Sie beschreiben sehr klar, wie Sie die Erschöpfung in ihrem Körper fühlen. Mehrfach am Tage innezuhalten um den Körper wahrzunehmen habe ich in herausfordernden Zeiten als überaus wertvolle Ressource erlebt. Ganz entscheidend ist dabei die Energie, mit der zu sich selbst gespürt wird. Diese kann entweder mit Widerstand und Ablehnung einhergehen und damit Anspannung und Leid vergrößern, oder sie kann in Annahme und Selbstmitgefühl gekleidet sein – dann führt sie zu mehr Entspannung und Selbstverbundenheit.“
Ich unterbreche mal kurz. Ich kann den Ansatz hier gut nachvollziehen. Wenn mir alles zu viel wird, ist dieses „Auszeit nehmen“ unglaublich wichtig. Und die Frage: „Was würde MIR jetzt richtig gut tun?“ Oder auch: „Worauf hätte ich richtig Lust?“ Eine fatale Situation ist, wenn wir einfach nur noch abspulen. Dann verlieren wir uns als Mensch. Leider haben wir so oft und schon in früher Kindheit gelernt, zu funktionieren und Dinge zu erledigen, die andere uns abverlangen – oder die Erwartungen anderer zu erfüllen. Es ist so elementar wichtig, um diese Problematik zu wissen und dann aber auch ein positives und konstruktives Gefühl für sich selbst herzustellen. Wir müssen da produktiv sein, wo es UNS gut tut. Das bedeutet auch, alte eingetrichterte Glaubensgrundsätze zu hinterfragen und sie durch eigene zu ersetzen.
Hanna schlägt einige Übungen vor, die helfen soll, seinen Körper mehr zu spüren:
- Halte einige Augenblicke inne und lenke deinen Fokus von der äußeren Umgebung auf deine innere Lebendigkeit. Wo im Körper fühlst du die Erschöpfung? Wie fühlt sie sich dort an? Versuche, einige Atemzüge lang nicht mehr zu tun, als diese Empfindungen auf annehmende Weise wahrzunehmen.
- Wenn es schwer fällt, die annehmende Energie herzustellen: Du kannst sie dir als helles Licht vorstellen, in die Du deine Körperempfindung einhüllst. Oder dich an Augenblicke erinnern, in denen du dein Kind mitfühlend verstanden hast. Um diese Form der Energie geht es auch für dich selbst und dein eigenes Erleben.
- Wenn (leidvolle) Gedanken auftauchen (zB. „Ich sollte anders sein…“, „es wird mir nie gelingen ….“, „wie soll ich diesen Tag nur schaffen?“) lenke deine Aufmerksamkeit zurück auf deine Körperempfindung und erlebe, dass jedes Gefühl haltbar wird, wenn wir es als Empfindung wahrnehmen, anstatt in Gedankenform.
Für viele ist Spiritualität ein Graus. Ich glaube, dahinter steckt eine Pseudo-Aufgeklärtheit, die zur Folge hat, dass die Sinnlichkeit aus unserem Leben entfleucht. Wir denken oft, wenn wir etwas analytisch erfassen und erklären können, hätte es mehr Gewicht, als gefühlt Wahrgenommenes.
Gefühle sind Gedanken, die einher gehen mit einer physischen Befindlichkeit. Das ist ein sehr komplexer Ablauf und unser Körper gibt uns viele gute Informationen – doch um diese zu „hören“, müssen wir uns selbst vertrauen können.
Viele von uns haben das verlernt und geben zu viel Gewicht auf Zweifler und Ängstliche im Umfeld, die es sicher gut meinen, aber uns oft den Weg zu uns selbst verstellen. Ich stelle immer wieder fest, dass Menschen mit einer guten Intuition sehr viel schneller zu befriedigenden Ergebnissen kommen, als Menschen, die eine Sache rein rational analysieren und lange abwägen.
Die Transformation zu mehr Gefühl geht einher mit Entspannung. Hannas Tipp, wie Du diese im Alltag aktivieren kannst:
Eine weitere Möglichkeit die Entspannung zu steigern besteht darin, die Gedanken in ihre Sehnsucht zu übersetzen. Wenn ich mich beispielsweise ängstlich frage, wie ich den kommenden Tag bewältigen soll, dann kann ich mich mit der innewohnenden Sehnsucht nach Erholung, Kraft oder Unterstützung verbinden.
Dafür kann ich mich an Augenblicke erinnern, in denen diese Bedürfnisse genährt waren und daran, wie wohl sich dieses genährt sein in meinem Körper angefühlt hat. Oder ich kann darüber trauern, dass ich gerade keine Möglichkeit sehe, für diese Bedürfnisse zu sorgen – das Trauern hat eine lösende, entspannende Wirkung, solange wir sie nicht mit dem Denken leidvoller Gedanken verwechseln.
Hannas Antwort ist keine einfache. Gewaltfreie Kommunikation ist keine Benimm-Anleitung. Habe Geduld und lies die Antwort vielleicht noch einmal und lasse sie wirken. Ich bin mir sicher, sie hilft dir, einen Zugang zu deinen Bedürfnissen zu finden.
Achtest Du deine Grenzen genug?
Gewaltfreie Kommunikation übt den steten Selbstcheck zu den eigenen Grenzen und schult in Empathie und darin Nein zu sagen, ohne andere dabei vor den Kopf zu stoßen. Sie lehrt uns Toleranz und im besten Fall tiefes Interesse für Andersartigkeiten. Und sie zeigt auf, dass wenn du nicht bekommst, was du dir (vom anderen) erwartest, meistens nicht Bösartigkeit dahinter steckt, sondern oft ein verletztes Gefühl.
Ich würde mich freuen, wenn Du kommentierst, was Du denkst und vielleicht auch teilst, wenn Du jemanden kennst, für den die Antworten eine Hilfe darstellen könnten.
Verlosung
Wenn Dich Hannas Buch „Dich durch mein Herz sehen“ interessiert und Du eines gewinnen möchtest, schicke mir bitte eine Email (moin@mamaberlin.org) mit Deiner Adresse und der Frage, die Dich zum Thema interessiert. First come, first serve …
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