Ein Gesetz hat lange auf sich warten lassen. Es gab überraschend viel Widerstand. Es musste auf Druck von Bund und Ländern „verschlankt“ werden. Und zuletzt hing das Gesetzesblatt, das eigentlich am Juli gelten sollte, im Bundespräsidialamt fest, denn der Bundespräsident fuhr in den Urlaub, ohne vorab die erforderliche Unterschrift abzuliefern, wie es die Staatsordnung verlangt.
Doch nun ist es amtlich: Der neue #Unterhaltsvorschuss oder die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses, wie es offiziell heißt, beschert weit über hundertausend Alleinerzierhenden und letztendlich ihren Kindern etwas mehr Geld in der Familienkasse. Doch es sei auch gesagt: Wir freuen uns hier über etwas, dass schon lange hätte richtig gestellt werden müssen: Nämlich der Umstand, dass ein Elternteil nicht zahlen will/kann und die Kosten dann aber auch nicht auf den Schultern des übrig gebliebenen Elternteils alleine lasten können – so nach dem Motto: Tja, Pech gehabt!
Wir können schon sagen: Das Gesetz ist ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit und der Anerkennung von Familienpluralität. Es ist kein Zufall, dass fast zeitgleich die Anerkennung der Ehe von homosexuellen Partnern durch gekommen ist. Willkommen 2017!
Fee Linke hat diesbezüglich einen Brief geschrieben. Sie hatte in der vorletzten Woche schon eine Anfrage an das Bundespräsidialamt verfasst, warum denn die Unterschrift auf sich warten ließe … (die kurz darauf dann endlich kam!)
Ich veröffentliche ihn hier, denn die Worte sind wichtig! Und vielleicht bekommt ja die eine oder andere Lust, auch ein paar Worte zu verfassen …?!
- WICHTIG: Für alle, die schon Unterhaltsvorschuss bekommen – auch ihr müsst wahrscheinlich einen neuen Antrag stellen. Erkundigt euch schnell bei eurem zuständigen Jugendamt. Und: Nur wenn der Antrag noch diesen Monat (!!) eingeht, habt ihr Anspruch auf die ausgefallene Zeit.
Fee Sarah Linke
Bismarckallee 17-19
53173 BonnAn
Herrn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Bundespräsidialamt
Spreeweg 1
11010 BerlinFrau
Bundesratspräsidentin
Malu Dreyer
Leipziger Straße 3-4
10117 BerlinHerrn
Roland Schäfer
Präsident des deutschen Städte- und Gemeindbundes
Marienstr. 6
12207 BerlinOffener Brief zum erweiterter Unterhaltsvorschuss ab 1. Juli 2017
Bonn, den 15. August 2017
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Steinmeier, sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin Dreyer, sehr geehrter Herr Bürgermeister Schäfer, als Vorsitzender des Deutschen Städte- und Gemeindetages,
es ist Mitte August 2017. Der Juli ist vorbei und als alleinerziehende Mutter geht mir deswegen gerade sehr viel durch den Kopf.
Es ist Ferienzeit und auch Sie waren im wohlverdienten Urlaub. Ich hoffe, Sie hatten mit Ihren Familien eine erholsame Zeit. Vielen anderen Familien fehlt in den letzten Wochen jedoch Geld, das sie immer noch überbrücken müssen.
Eigentlich sollte letzen Monat das Gesetz zur Erweiterung des Unterhaltsvorschusses in Kraft treten. Statt wie bisher maximal sechs bzw. höchstes bis zum zwölften Lebensjahr, wird der Unterhaltsvorschuss nun bis zum vollendete 18. Lebensjahr der Kinder von den Jugendämtern ausgezahlt, wenn ein Elternteil den Unterhalt nicht bezahlen will bzw. bezahlen kann oder ein unregelmäßiges Einkommen hat.
Damit wird nun der Lebenswirklichkeit vieler Familien in Deutschland Rechnung getragen, denn drei Viertel der Kinder von Alleinerziehenden erhalten keinen oder zu wenig Unterhalt. Das ist einer der Hauptgründe für Kinderarmut.
Die ehemalige Familienministerin Manuela Schwesig hatte deswegen besagte Gesetzeserweiterung auf den Weg gebracht. Dass das erweiterte Unterhaltsvorschussgesetz ursprünglich zum 1. Januar geplant war, aber immer weiter verschoben wurde, hat die Einelternfamilien sehr betroffen gemacht.
Gegen den Aufschub wehrten sich bereits Ende letzten Jahres der Verband Alleinerziehender Mütter und Väter gemeinsam mit den Bloggerinnen Dr. Alexandra Widmer, Christine Finke und Rona Duwe, die sich ganz besonders für Alleinerziehende einsetzten. Sie hatten eine Online-Petition gestartet und über 40 000 Unterschriften gesammelt.
Der neue Termin lautete nach weiteren Verhandlungen dann 1. Juli 2017. Dieser rückte näher, viele Alleinerziehenden hatten bereits Anträge gestellt. Doch auch dieses Datum verstrich ohne Resultat – zunächst …
Nun ist das Gesetz endlich mit der präsidialen Unterschrift ausgefertigt. Die Leistungen sollen rückwirkend gewährt werden!
Das freut mich und viele andere. Doch nach all dem Ringen um Finanzierung und Durchführung kommt bei mir schon die Frage auf, welche Prioritäten wir in unserer Gesellschaft setzen.
In den soziale Netzwerken erfährt man von Müttern, denen bereits der Betrag für den Unterhaltsvorschuss vom laufenden Wohngeld abgezogen wurde und nun wieder nicht genug Geld haben … Eine andere Betroffene berichtete, sie habe vom Jugendamt die Auskunft erhalten, dass sie den Antrag neu stellen müsse, um weiter den Vorschuss zu bekommen – das wissen aber viele nicht.
Wir sprechen hier über ein paar hundert Euro – für sie selbst ist das nicht viel Geld. Aber, leider, für viele alleinerziehende Mütter und Väter und ihre Kinder macht es jeden Monat einen großen Unterschied …
Es unterscheidet, ob ein Eis oder ein kleiner Ausflug drin sind. Ob die neue Schuhe gekauft werden können, ob die Waschmaschine erneuert oder ob besser, frischer gekocht, ob endlich ein anständiger Schreibtisch angeschafft werden kann.
Wir Alleinerziehenden und unsere Kinder werden zwar häufig erwähnt und über uns wird in den Zeitungen und den Fernsehmagazinen berichtet aber eine unsere dringlichsten Interessen, wie der Unterhalt für die Kinder, wurde auf die lange Bank geschoben.
Es wird den Alleinerziehenden, die in den meisten Fällen nun mal Mütter sind, zugemutet die Risiken und Nebenwirkungen der Familienplanung zu tragen, während man mit der Verantwortung des unterhaltspflichtigen Elternteils, die in der Regel Väter sind, nicht so streng ist.
Wie viele Alleinerziehende habe ich mich über das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe aufrichtig gefreut. Aber ich bin auch aufrichtig neidisch, wie schnell und unkompliziert alles ging, nachdem die Abstimmung im Bundestag beschlossen wurde. Innerhalb eines Monats war alles unter Dach und Fach und das Gesetz sogar bereits ausgefertigt.
Ich gönne den vielen schwulen und lesbischen Paaren, dass sie so schnell das Aufgebot bestellen können. Ich wünsche mir aber ein solches Signal der Entschlossenheit endlich auch für die alleinerziehenden Familien.
Als alleinerziehende Mutter einer Tochter und eines Sohnes möchte ich meinen Kindern vermitteln, dass sich der Staat in dem wir leben, sich wirklich darum kümmert, dass es allen gut geht. Gerne möchte ich meiner Tochter versichern, dass sie als Frau die gleichen Rechte und als Mutter die gleiche Wertschätzung genießen kann wie ein Mann und ein Vater.
Kann ich meinem Sohn in Zukunft vermitteln, dass Kinder kein Armutsrisiko darstellen, sondern vor allem eine große Freude sind, für die es sich zu leben lohnt?
Ich wünsche mir gemeinsam mit anderen Müttern und Vätern, dass Erziehungsarbeit und Kinder in Deutschland endlich wieder eine höhere Priorität erhalten.
Dafür dass das Gesetz nun endlich ausgefertigt wurde, möchte ich Ihnen abschließend sehr danken, auch wenn es eine schwierige Geburt war.
Mit freundlichen Grüßen, Ihre
Fee Sarah Linke
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