„Ich war scheinbar eine neue Spezie: Für die einen fehlte mir der Mann, für die anderen hatte ich zu viele Kinder. Ich war Single und eigentlich doch wieder nicht, ich hatte ja Familie. Ich war Familie und eigentlich doch wieder nicht, ich hatte ja keinen Partner …“
So schreibt die Autorin Sabine Christel. Die alleinerziehende Mama von zwei Kinder schrieb sie sich von der Seele, was sie selbst erlebt hatte und veröffentlichte im Eigenverlag: „Teenager Trouble“ (2015) und „Mama will Meer“ (2016) und sie erntete großes Feedback, nachdem ihr Buch in einer Tageszeitung besprochen worden war.
Sabine: „Es gab so viele Frauen, die das gleiche erlebten hatten. Die sich ausgegrenzt fühlten und einsam waren.“ Für MAMA BERLIN hat Sabine Christel diesem wichtigen Thema angenommen – auf der Suche nach Ursachen.
Single + Mama = allein
von Sabine Christel
Als ich noch verheiratet war und dann Mutter wurde, meinte meine damalige beste Freundin zu mir: „Das waren schöne Zeiten, als Du noch Single warst. Weißt Du noch, wie wir es uns bei Dir gemütlich gemacht haben in Deiner kleinen Wohnung? Oder wir einfach so ins Kino gehen konnten – spontan …“
Als ich dann ein Jahr später tatsächlich getrennt und wieder Single war, erinnerte ich sie an ihre Worte: „Lass uns ausgehen – ich würde gern mal auf andere Gedanken kommen, die nichts mit Scheidung und dergleichen zu tun haben …“ Doch sie druckste herum. Schließlich meinte sie: „Du, triff dich doch lieber mit Frauen, die so sind wie Du …“ Wie ich? Ich verstand nicht sofort. Sie setzte nach: „Na, Single-Mütter, halt.“
Und das war nicht der einzige Spruch: „Stell Dich nicht so an, Prinzessin“, sagte sie mir, „Du hast doch eine Wohnung und ein Auto, was willst Du noch? Ob nun mit Mann oder ohne, das spielt doch keine Rolle. Du hast wenigstens keinen Stress mit dem Mann, das ist doch auch was.“ Peng!
Die Worte saßen. Im Gegensatz zu mir lebte sie mit Mann und Kindern weiter ihren Kleinfamilie-Traum. Zum ersten Mal wurde mir klar, dass eine Scheidung mehr ist, als die bloße Trennung vom Partner: Jetzt bist du in den Augen der anderen, „anders“. Aber alles nur wegen des Beziehungsstatus? Sollten wir wirklich alle noch so ticken?
In einer Zeit, in der sich die Gesellschaft rühmt, alles anzugleichen – Väter nehmen Elternzeit, Frauen arbeiten in Männerberufen, wir leben gleichgeschlechtliche Partnerschaften, es gibt eine Vielzahl von getrennten Elternpaaren und fast zwei Millionen Alleinerziehende – in so einer Zeit bist Du als Singlemutter plötzlich irgendwie übrig?
Leider bestätigte sich mein Gefühl. Das „Anderssein“ trat schnell an allen möglichen Stellen zu Tage: Zur Einschulung stellten sich die Eltern vor – ich war die einzige ohne Ehemann. Natürlich war es für mich auch nicht so einfach, die Termine in der Schule unter einen Hut zu bekommen: Elternabende und gleichzeitig Kinder betreuen. Alles, bei dem ich die Kinder NICHT mitnehmen konnte, fiel für mich aus. Verständnis dafür brachte mir niemand entgegen.
Eine Lehrerin meinte einmal, als ich leider wieder mal absagen musste, „andere schaffen das doch auch!“ Ich bat sie: „Okay, dann nennen Sie mir doch bitte die Namen dieser anderen Singlemutter, damit ich sie fragen kann, wie sie es schafft, alles ,unter einen Hut‘ zu bekommen, damit ich es ändern kann.“ Doch es stellte sich heraus, dass sie mich mit einem Paar verglich, das sich bei der Kinderbetreuung abwechselte – wo es also noch einen Elternteil gab, der mit anpackte. Davon konnte ich nur träumen.
Ich hatte ein Stillkind zu Hause und konnte deshalb den Schulausflug nicht begleiten. Sollte ich jemals erwartet haben, dass Eltern Rücksicht oder Verständnis zeigten, so wurde ich auch hier eines besseren belehrt.
Ich wurde nicht mehr eingeladen: „Du fühlst Dich ja bestimmt nicht wohl unter all den Paaren … „
Mir wurde klar: Man wird blind gegenüber den Bedürfnissen der Single-Mütter, wenn man selbst einen Partner an der Seite hat. Man verliert das Gefühl dafür, wie es ist, allein zu sein. Jeden Tag alles alleine organisieren zu müssen. Und offensichtlich auch überheblich – denn man übersieht völlig, was das Alleinsein tatsächlich für die Betroffenen bedeutet: Ich hatte eben keinen Helfer in der Hinterhand, der einsprang, wenn ich nicht konnte.
Zudem kam die gesellschaftliche Ausgrenzung. Ich wurde nicht mehr eingeladen! Eine Freundin vertraute mir hinter vorgehaltener Hand an, dass ich mich bestimmt nicht wohlfühlen würde, so unter Paaren …
Viele Frauen sehen sich trotz Beziehung als alleinerziehend an
Ich wäre sehr gern abends mal ausgegangen – aber für die Ehefrauen ging das nur, wenn ein Mädelsabend anstand – was sehr selten der Fall war. Was selten genug vorkam. Und natürlich ging es bei diesen seltenen Abenden meistens um IHRE Familie: Was der Mann so macht, wohin sie verreisen, wer wo gebaut hatte und was für eine Party man mal machen könnte. Ich konnte nicht mitreden: Einen Mann hatte ich nicht, für Reisen fehlte mir das Geld und für Partys fehlte die Begleitung.
Und wenn ich mal kurz aus meinem Alltag erzählte, erwähnte, wie anstrengend es ist, alles allein machen zu müssen, dann fuhr mir irgend eine Mutter über den Mund: „Denkst Du, mein Mann hilft mir mit? Im Prinzip sind wir doch alle alleinerziehend!“.
Am Auffälligsten war, dass viele Frauen IN einer Beziehung sich selbst als alleinerziehend bezeichneten, entweder weil der Mann sich wenig in das Familienleben einbrachte, beruflich viel unterwegs war oder die Frau ebenfalls berufstätig war, die Kindererziehung aber zusätzlich als ihre Aufgabe ansah.
Die Bedeutung von „ALLEIN“ in „Alleinerziehend“ scheinen viele gar nicht wahrzunehmen. Du hast niemanden, der mit Dir gleichberechtigt die Familie zusammenhält. Im besten Fall hast Du Unterstützung von deiner Familie, Freunden oder staatlicher Betreuung – aber du hast keinen Partner, der den Alltag mit dir teilt.
Im Gegenteil: In vielen Fällen hat man Probleme mit dem Ex-Partner, die zusätzlich belasten. Die meisten sind finanziell sehr eingeschränkt und immer am Limit, was die eigene Kraft betrifft. Dazu kommt die Sorge, was ist, wenn ich selbst ausfalle? Wer ersetzt mich, wer springt ein? Das ist belastend.
Auch in der Nachbarschaft spalteten sich die Gemüter. Ich erinnere mich, das die Nachbarn neu renovierten und mich der Vater eines Tages fragte, ob ich mir mal die neuen Räume ansehen möchte. Es war heller Tag, die Kinder – seine und meine – spielten zusammen, ich ging hinüber.
Ich wirkte plötzlich auf andere Ehefrauen wie eine Gefahr
Ich bewunderte gerade die tolle Tapete, als seine Frau nach Hause kam. Sie beachtete mich gar nicht, sondern fuhr ihren Mann an, warum er herumstehen würde. Ich bedankte mich für die Führung und wollte mich verabschieden. Sie verbot ihm, mich hinauszubegleiten.
Wie gesagt, die Kinder waren dabei, es war nichts verwerfliches an der Situation. Trotzdem: Seitdem grüßte er mich nur noch, wenn seine Frau nicht dabei war.
Ich war plötzlich zu einer Gefahr für die Ehefrauen geworden! Ich war das, was sie nicht sein wollten: eine Singlemom.
Und natürlich hat jede Singlemom nichts besseres im Sinn, als einer anderen Frau den Ehemann auszuspannen, so dachte sie anscheinend.
Oder galt das Misstrauen eher den Ehemännern? Ich machte auch die Erfahrung, dass verheiratete Männer mir eindeutige Avancen machten. Angenehm war auch das nicht. Sie spielten den Chauvi-Retter: Die arme Frau ist bestimmt froh, wenn sie mal wieder einen Mann im Bett hat …
Ernste Absichten hatten diese Männer nicht. Ich bekam immer mehr das Gefühl: Welcher Mann bindet sich die Kinder eines anderen ans Bein? Ich fühlte mich wie Secondhandware, schon benutzt und irgendwie dadurch auch nicht mehr Frau, sondern eigentlich nur noch Mutter.
Auch keine Option waren leider die Singlefrauen ohne Kinder. Wir kamen nicht auf einen Nenner: Für nächtelange Züge durch die Disco fehlten mir Energie und Babysitter und zu einer Zeit, in der sie arbeiteten, war ich zu Hause, machte mit den Kindern Hausaufgaben oder hing mit ihnen auf dem Spielplatz und buddelte im Sand. Über was sollten wir uns austauschen?
Und dann traf ich (endlich) auch mal eine Singlemutter. Es stellte sich allerdings heraus, dass sie eher eine kostenlose Kinderbetreuung suchte, als Freundschaft. Ich ließ den Kontakt auslaufen.
Aber manchmal siegt auch die Wahrheit – wenn es auch dauert. Meine damalige beste Freundin, die mit dem Superspruch von oben, rief eines Tages an. Mittlerweile ebenfalls frisch getrennt. Plötzlich erlebte auch sie ihren Partner völlig verändert und verstand pklötzlich: „Ich wollte mich bei Dir entschuldigen, für den ganzen Mist, den ich so gesagt habe“, sagte sie. „JETZT weiß ich erst, wie scheisse es ist, allein zu sein.“
Wenn wir uns alle ein wenig mehr verstehen, ändert das schon eine ganze Menge
Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann dass wir Frauen und Mütter mehr für einander da sind und dieses Konkurrentinnen-Ding einfach mal abstellen. Wir Solo-Mamas wollen nichts anderes als alle Mamas, nämlich …
- … Freundinnen haben, die sie verstehen und ihnen nicht das Gefühl vermitteln, sie gehörten nicht dazu
- … als Frau gesehen werden, ohne abgewertet zu werden.
- … eingeladen werden; wo steht geschrieben, dass man wie auf der „Arche Noah“ nur paarweise auftreten kann? Und am besten lädt man gleich noch ein paar Single-Väter dazu ein
- … nicht als Feindin der Ehefrauen gesehen werden. Vielleicht sich auch einfach mal selbst erkennen: Warum bin ich denn so ängstlich? Was soll diese Eifersucht? Kriselt es in meiner Beziehung? Was fehlt mir? Was wünsche ich mir? Was brauche ich?
Das habe ich gegen die Einsamkeit unternommen
Was ist nun aus mir geworden? Ich habe akzeptiert, dass wir anscheinend doch unter uns am besten verstanden werden und mich auf die Suche nach anderen Mamas gemacht, die offen sind für neue Kontakte. Hier möchte ich Euch meine Ideen weitergeben:
- Ich habe einige Singlemomgruppen online gegründet und bin auch in anderen Gruppen aktiv. Einige der Mitglieder kenne ich inzwischen auch persönlich. Der Online-Austausch tut gut. Ich weiß, da sind noch mehr, denen es genau so geht wie mir und wir uns austauschen können.
- Ich habe einen Mütter-Stammtisch vor Ort gegründet (ich fing mit einem Aushang im Kindergarten an). Seitdem treffen sich Mütter, die Lust auf ein wöchentliches gemeinsames Frühstücken haben. Diese regelmäßigen Treffen bringen Abwechslung in meinen Alltag.
- Außerdem habe ich über den Alltag einer Singlemom zwei Bücher geschrieben, mit allen Sonnen- und Schattenseiten, die sich so zeigen.
- Ich habe mir nicht den Humor nehmen lassen. Meiner Meinung nach ist er das Wichtigste. Ehe ich mich über etwas aufrege, versuche ich die Sache mit Humor zu betrachten. Gelingt natürlich nicht immer – aber es wird besser.
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