Gestern erschien der erste Teil meines Interview mit Hanna Brodersen, die bei Facebook die Gruppe „Gewaltfreie Kommunikation – Eltern sein“ betreibt, dort viele wichtige Anregungen gibt.

Heute erscheint der 2. Teil und ich wünsche mir, dass er Euch, gerade jetzt vor Weihnachten, wo die Familie oft mit ein „Wusch“ in den Fokus rückt, gute Impulse gibt. Wer den 1. Teil noch nicht kennt, hier findet Ihr ihn …

Welche Möglichkeiten sich durch gewaltfreie Kommunikation eröffnen – DAS INTERVIEW, Teil II

Nach einer Trennung werden aus ehemals Liebenden oft Feinde. Wenn einer sich sperrt oder mit üblen Mitteln, wie Lügen und Rufmord oder Drohungen arbeitet, gibt es eine Möglichkeit auch hier eine Verbesserung durch gewaltfreie Kommunikation zu erreichen?

Hanna: Gewaltfreie Kommunikation braucht nicht beide Partner, um Kraft zu entfalten. Es reicht, wenn einer eine mitfühlende Haltung annehmen kann, denn nicht immer werde ich auf Menschen treffen, die bereit sind, Lösungen zu suchen.

Unsere Fähigkeit empathisch zu bleiben, ist bei den meisten von uns begrenzt. Unser Mitgefühl endet oft, wenn sich andere Menschen gewaltvoll ausdrücken oder uns zu Unrecht beschuldigen. Und wir fallen natürlich besonders aus der mitfühlenden Haltung, wenn es um nahestehende Personen geht.Darum empfehle ich, sich nicht zu scheuen, Unterstützung von Mediatoren,

oder Trainern einzuholen. Eben weil es geschieht, dass sich zwei Menschen treffen, die gefangen in ihrem alten Schmerz sind. Zu sehr, um den anderen und seine Bedürfnisse noch wahrnehmen zu können – oder für sich eine Grundverantwortung zu übernehmen.

Was mache ich, wenn sich jemand durch gewaltfreie Kommunikation provoziert fühlt? Zum Beispiel denkt, man würde ihn veräppeln, oder es nicht einordnen kann, es nicht gewohnt ist?

Hanna: Dann nehme ich zuerst wahr, was das mit mir selbst macht. Vielleicht hatte ich große Sehnsucht danach, für den anderen und unsere Beziehung etwas beizutragen und habe mich so sehr um Wertschätzung bemüht. Da kann es schmerzhaft sein, damit nicht gesehen zu werden. Danach kann ich vielleicht neugierig sein: Welche guten Gründe hast du, dass das für dich so schwer ist zu hören? Kannst du meine Absicht sehen? Kann ich verstehen, worum es dir geht? Und welchen Kontakt kann es geben, damit sich unsere beider Bedürfnisse erfüllen?

Wie reagiere ich, wenn Gewaltfreie Kommunikation von der anderen Seite erwartet wird, aber selbst nicht angewandt wird, also nur eingefordert, aber nicht erbracht wird?

Hanna: Da verhält es sich wohl wie mit jeder Forderung: Sie lässt zwei Wahlmöglichkeiten. Unterwerfung oder Rebellion. Ich kann für mich klären, was diese Forderung mit mir macht. An dieser Stelle empfehle ich gerne, zu den vier Schritten noch einen weiteren einzubauen.

  1. Ich höre dich sagen: „Denk mal an die vier Schritte der GFK und mach mir nicht ständig solche Vorwürfe! Das ist ja unmöglich!“
  2. Urteile und Bewertungen: „Da könnte ich ausflippen! Es kann doch nicht wahr sein, dass der hier was von mir verlangt, was er selbst nicht geben will. Das ist so typisch für ihn. Immer mit den Finger auf andere zeigen, bloß nicht auf sich selbst schauen. Mir reichts! Ich will verdammt nochmal den selben Respekt, den ich ihm auch gebe!“
  3. Gefühle: Anspannung, Wut, Enttäuschung.
  4. Bedürfnisse: Balance zwischen geben und nehmen, Wertschätzung, Vertrauen, Verantwortung, Schutz.
  5. Bitte: „Ich nehme mir jetzt eine Pause und bitte XY, mir Zeit für eine Reaktion zu lassen!“

Danach könnten die vier Schritte einfühlsam auf den Gesprächspartner angewendet werden, z.B. mit dem Vorschlag: „Wenn du mir sagst: ,Denk mal an die vier Schritte der GFK und mach mir nicht ständig solche Vorwürfe! Das ist ja unmöglich!‘, bist du dann ärgerlich, weil dir Wertschätzung wichtig ist? Würdest du gern vertrauen, dass ich keine Vorwürfe mache und bereit bin zu hören, worum es dir geht?“

So kann vielleicht Kontakt entstehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass andere Menschen meine Anliegen besser hören können, wenn ich ihnen selbst zunächst einfühlsam zugehört habe. Doch Vorsicht: Hier ist Achtsamkeit und Selbstfürsorge gefragt, damit diese Idee nicht zur erwartungsvollen Strategie wird und ich nicht gewaltvoll zu mir selber werde …

Würdest Du es in jedem Fall auf einen Versuch ankommen lassen?

Hanna: Ich bin fest überzeugt, dass Einfühlung Heilung bedeuten kann. Es kann tatsächlich eine Verbindung entstehen lassen. Gleichzeitig kann dies auch an Gewalt gegen uns selbst grenzen, nämlich, wenn wir zu anderen mitfühlend sind, das gleiche aber nicht für uns tun. Dann gilt es, sich zu schützen. Ich rate dazu, dann die eigenen Urteile und Bewertungen zu durchleben und der Trauer einen Platz einräumen. Danach gibt es vielleicht dann irgendwann keine Schuldverteilung. Dann bin ich zu meinen Bedürfnissen zurückgekehrt und suche nach gezielten Strategien, um diese zu erfüllen – unabhängig von einer bestimmten Person.

Wie lerne ich Gewaltfreie Kommunikation?

Hanna: Die mitfühlende Haltung beginnt immer bei mir selbst. Ich kann nicht wertschätzend mit anderen Menschen sein und auch langsfristig nichts zu ihrem Wohle beitragen, wenn ich nicht selbst gut für mich sorge.

Ich habe zudem festgestellt, dass es diesen „jetzt habe ich GFK gelernt“-Moment nicht abschließend gibt. Der Weg ist das Ziel. Und für mich eine lebenslange Herausforderung: Meine mitfühlende Kraft immer wieder aufzufüllen.

Wer die Haltung der GFK annehmen möchte, dem empfehle ich einerseits den Austausch in Gruppen, Seminaren, Telefonkursen und andererseits immer und immer wieder das eigene auftanken: Einfühlsam gehört zu werden ist in meinen Augen die größte Kraft. Ich spreche da gern von der Herzensenergie: Die kann ich auffüllen wenn ich Dinge tue, die mich berühren.

Welche Übungen wendest Du an?

Hanna: In der Praxis habe ich begonnen, alle Konflikte schriftlich und anhand der oben genannten, vier Schritte nachzubereiten. Dabei bin ich zunächst bei mir selbst geblieben: Was fühle ich, was brauche ich? Erst lange danach kam der Schritt, mich auch mit anderen einfühlsam zu verbinden.

Gewaltfreie Kommunikation setzt auf ein hohes Maß an Selbstreflektion auch Selbstbeherrschung. Wie lerne ich die?

Hanna: Bedingungslose Eigenverantwortung kann einerseits beängstigend sein, andererseits aber auch unheimlich befreiend. Ich bin nicht länger auf andere angewiesen, auch nicht auf ihre Kooperation. Damit mache ich mich unabhängiger von Reaktionen. Ich gewinne neue Freiheit. Ich brauche keine bestimmten Personen, um meine Bedürfnisse zu erfüllen. Urteile und Bewertungen haben keine so große Macht mehr über mich, weil ich weiß: Das hat nichts mit mir zu tun. Ich kann die Verantwortung für meinen Gegenüber bei ihm selbst lassen. Das lässt Raum, sich jenseits von Schuld wieder ganz neu zu begegnen.

Buchtipps und Links zum Thema:

Ich höre war, das du nicht sagst: Gewaltfreie Kommunikation in Beziehungen

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens

Was deine Wut dir sagen will: überraschende Einsichten: Das verborgene Geschenk des Ärgers entdecken. Gewaltfreie Kommunikation: Die Ideen & ihre Anwendung

Familientherapie:

JANALUDOLF LEBENSGEFÜHL STÄRKEN – KOMMUNIKATION FÖRDERN – ENTSPANNTER LEBEN

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