Es gibt große regionale Unterschiede, wie „Alleinerziehende“ wahrgenommen werden. Und das gilt nicht nur für uns Familienmütter, sondern gilt allgemein auf den Blick auf Mütter oder auch Frauen schlechthin.
Bildungstand, Religion und die Geschlechterrollen-Modelle unserer Kindheit prägen unsere persönliche Sichtweise. Schade, dass das den meisten Menschen nicht bewusst ist. So, wie man die Welt sieht, sieht man sie eben nur alleine. Jeder hat einen anderen Blick und eine andere Empfindung. Wir denken nur immer, so wie wir denken, sei das einzige Richtige. Da geht es dann schon los …
Wie schreiben Medien über Alleinerziehende?
Meistens sind sie Opfer oder müssen betonen, dass es ihnen auch wirklich gut geht.
Auch wenn sich schon was getan hat, vergleicht man z.B. diesen Bericht von 2010 aus der FAZ „Alleinerziehende sind die Hätschelkinder der Nation“ – geschrieben von zwei offensichtlich geistig verwirrten, älteren Herren (Ich habe da mal ausführlich und sehr, sehr böse geantwortet) und dem folgenden Artikel von 2015 aus der Zeit: „Ich glaube trotz allem an die Liebe“ (Na, toll! Glückwunsch! s.o. ; )) – ist schon eine gewisse Entwicklung zu sehen.
Die Diskriminierung und die Einseitigkeit lässt etwas nach. Zufrieden bin ich persönlich aber noch lange nicht.
Dass sich aber zumindest ein kleines bisschen geändert hat, liegt vor allem an Eurer Unterstützung und den Einsatz von so vielen. Es ist gut, eine Stimme zu haben und noch besser, diese zu erheben, wenn es Ungerechtigkeit gibt und noch viel besser, wenn viele ihre Stimmen erheben. Das Internet ist genau dafür super.
Zurück zum Thema: Während es hier in Berlin also (fast) überhaupt kein Thema mehr ist (obwohl es auch stark zwischen den Stadtteilen variiert), alleinerziehend zu sein weil a) eh so viele getrennt sind (alleinerziehend ist das neue verheiratet…) und b) es viele Jobs, Beratungen, aber auch Kita- und Hortbetreuung gibt, man sich also auch „allein“ gut aufstellen kann – wird es in anderen Regionen mit dem totalen gesellschaftlichen, persönlichen Drama gleichgesetzt. Häme und Ausgrenzung sind oft dabei, oder Trash wie bei RTL.
Alleinerziehende sind Außenseiterinnen, Loser – ich glaube schwerer haben es in der Provinz wahrscheinlich nur noch homosexuelle Paare. Mit Kindern.
Es ist so merkwürdig (wenn auch nicht neu), welche gesellschaftlichen Gräben sich hier durch das Land ziehen. Freiheit, Pluralismus und Selbstbestimmung ist vielen immer noch fremd. Stattdessen wird normatives Denken der einfachsten Variante praktizier. Wieso tut denn da keiner was dagegen? Was ist denn da los, an den Schulen?
Die Frankenpost brachte nun einen Bericht über eine Alleinerziehende, bei dem meines Erachtens der Grad zwischen Pseudo-Mitgefühl und Abwertung der Person, aber auch Personengruppe sehr, sehr schmal ist, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Es geht um eine – so wie sie dargestellt wird – chancenlose Alleinerziehende. Der Artikel, der zwar als Spendenaufruf daherkommt (sie wünscht sich – na, Donnerwetter – ein Auto), aber eigentlich nur sagen soll: Sehr her! Das droht euch, wenn ihr alleinerziehend seid!
Es schildert das Leben einer Frau, die keine Möglichkeiten hat. Ihr Optimismus wirkt aufgesetzt, verzweifelt, naiv. Alles wird beschönigt und der Leser soll dennoch denken: Ach, Gott … Aber wenn ich das lese, finde ich das würdelos. Man hätte es auch kurz und knapp machen können: Mutter, körperlichen behindert, hat zwei Kinder zu versorgen, quasi arbeitslos, braucht Unterstützung.
In dem Bericht der Freien Presse aus Sachsen ist die Darstellung ein wenig besser, aber auch da schwingt an ein paar Stellen Herablassung mit:
Überall auf der Welt gibt es Menschen, denen es schlecht geht
- Der alkoholkranke Top-Politiker mit vier Kindern und Frau zu Hause, die sich schon seit Jahren nicht mehr für ihren Mann und Vater interessieren, aber freudige Miene zum bösen Spiel machen, so lange er die Kohle nach Hause bringt.
- Die Vorstandsvorsitzende mit dem notorisch fremdgehenden Ehemann, den sie schon seit Jahren mitversorgt, damit er die Kinder morgens in die Schule bringt und nachmittags abholt, sich aber schon seit Jahren mit ihm langweilt.
- Die Tochter, die von ihrem verheirateten Vater sexuell missbraucht wird, während der Rest der Familie schweigt.
- Die schlagende Hausfrau, die seit 12 Jahren zu Hause sitzt, während ihr Mann als Agenturchef durch die Weltgeschichte kurvt und regelmäßig fremdvögelt, während sie sich immer schäbiger findet.
Auch alles Scheiße. Auch hier bräuchten ganz viele Leute dringend Hilfe. Aber so einen Hilfe-Aufruf habe ich noch nie gelesen. Das liegt wohl an unserer bürgerlichen Doppelmoral.
Und an dem großen gesellschaftlichen Tabu, dass über mieses Eheleben nicht gesprochen werden darf. Und viele Frauen denken tatsächlich noch: Hauptsache verheiratet – egal wie. Nur alleinerziehend wäre dann doof.
Vielleicht können wir ja irgendwann wieder zu mehr Ernsthaftigkeit übergehen – aber stoppt die Herablassung bitte sofort.
Denn sie kommt aus einer ganz schlechten Vergangenheit, in der Alleinerziehende bestraft, stigmatisiert und ausgegrenzt wurden und ihre Kinder weggeben mussten – aus dem einzigen Grund, dass sie nicht verheiratet waren. Und die Kinder als Bastards beschimpft wurden, ihren Müttern entrissen.
Wie sehr dies sexistische Denken aber immer noch in vielen verankert ist und woher diese Stigmatisierung kommt, klärt diese BBC-Reportage auf:
https://www.youtube.com/watch?v=IaCPgPLNRLo
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