Gestern habe ich den ersten Teil zu einem viel bedienten, unter dem Reizwort „Wechselmodell“ bekanntenThema, geschrieben. Heute kommt der zweite Teil und mein Antrag an die Gesellschaft.
Nach meiner Erfahrung wird die Frage: „Wie geht es nach einer Trennung weiter?“ zu sehr ausgeblendet. Verdrängt. Was natürlich menschlich ist, die wenigsten wollen sich mit Konflikten konfrontieren, da sie erst einmal ein diffusen Gefühl der Angst auslösen.
Doch Angst war schon immer im besten Falle dazu da, über uns hinaus zu wachsen. Und es ist immer gut, sich seiner Verantwortung zu stellen.
Paare, die Trennungsmodalitäten schon in „guten Zeiten“ abstimmen, fahren besser!
Eins lässt sich aber sagen: Die Paare, die Trennungsmodalitäten schon in guten Zeit abgestimmt haben und die Betreuung der Kinder miteinander abstimmen konnten, fahren auch in Zeiten der Trennung immer besser (und wenn es keine Trennung gibt, um so besser).
Was ich auch finde: In unser spätmodernen Bildungsgesellschaft könnte mehr zum Thema Familie an den Schulen gelehrt werden. Auch in den entsprechenden Gremien müsste sich mehr an der Lebensrealität der Menschen orientiert werden, als an einem längst überholten Ideal.
Es müsste mehr aufgeklärt und geschult werden: Was ist Familie? Was wollen wir? Was heißt Verantwortung zu übernehmen? Nach meiner Erfahrungen sind Ämter und Familiengerichte auf einem Stand, der mindestens 30 Jahre hinterherhinkt.
Naivität ist für Frauen oft der Untergang
Es gibt sie nicht mehr, die jungfräuliche Ehe auf Lebenszeit, genauso wenig wie den Versorgungsanspruch. Daher ist jede/jeder gut beraten, sich damit auseinanderzusetzen und einen Plan zu haben. Naivität war einmal für Frauen hilfreich – heute ist sie oft ihr Untergang.
Die deutsche Durchschnittsehe dauert 13 Jahren. Es gibt rund 180 000 Scheidungsfälle pro Jahr. 2,2 Millionen alleinerziehende oder getrennt von einander erziehende Eltern. Denn wir sind alle reifer und schlauer geworden – und das ist auch gut so!
Eins gebe ich noch zu bedenken, bevor ich nun endlich zum Thema komme: Während das Ideal der traditionellen „Kernfamilie“ zum Ideal verklärt wird und hier Probleme eher unter den Tisch gekehrt werden, neigen wir dazu, bei allen anderen Familienmodellen zu überproblematisieren und oft auch unsere Kinder zu stigmatisieren.
Das liegt nicht an der Gesellschaft oder dem System, das, so hart es klingt, liegt an uns selbst …
Neue, alte Sorge zum Wechselmodell, Teil II
In einigen europäischen Ländern, in denen die Berufstätigkeit der Frauen höher, die Geschichte der Gleichberechtigung einen ganz andere Tradition hat, als in Deutschland, ist die Rate des 50/50-geteilten Umganges öfter höher. Eine Kritik daran gibt es aber auch dort reichlich. Die Gründe, denke ich mal, sind ausreichend bekannt.
Letztendlich muss man sagen, dass es Kinder gibt, die ein Aufwachsen in zwei Elternhäusern durchaus gut finden und andere, die es als enorme Belastung empfinden.
Woran es jeweils liegt, ist objektiv schwer zu ergründen, bzw. es gibt diverse Ursachen und jeder Familienfall ist anders. Nicht immer muss es an dem Verhalten der Eltern oder eines Elternteiles liegen. Manche Kinder wollen einfach bloß EIN Zuhause, das reicht ihnen, sie wollen in erster Linie zur Ruhe kommen …
Die Lebensrealität ist entscheidend
Ich persönlich finde, eine Elternschaft – egal wie gelagert, ob verheiratet, oder nicht – ist immer ein Vertrag. Die Lebensweise bestimmt die Lebensrealität und sollte ausschlaggebend bleiben.
Die Rangegehnsweise nach einer Trennung die Kinder – egal was vorher war und egal, wie die Meinungen der anderen Beteiligten sind – genau wie die ehemals gemeinsame Wohnungseinrichtung jeweils hälftig aufzuteilen, offenbart für mich auch oft eine eher rigorose Denkweise, die nicht gerade Gutes verspricht.
Natürlich ist es im Normalfall schön, wenn sich beide Eltern um das Kind kümmern – das gilt aber auch für verheiratete Paare
Ich mache mal zum Ende noch eine kleine Kiste auf: Lang schon und immer wieder gibt es die Debatten um die Frauenquote. Man hat sich dagegen entschieden (bis auf die doch sehr überschaubare Gruppe von Frauen im DAX-Unternehmens-Bereich).
Auch viele Frauen sagten tatsächlich, dahin, also an die Wirtschaftsspitze, müsste es einfach jede Frau letztendlich alleine schaffen. Man könne fördern und helfen, aber den Weg darf nicht die Quote ebnen.
Dazu sollten wir uns auch im Familienrecht durchringen. Natürlich ist es im Normalfall schön, wenn sich beide Eltern um da Kind kümmern. Das gilt auch für verheiratete Paare …
Und natürlich kann jedes Kind auch nur mit einem Elternteil oder mit überhaupt keinem Elternteil zu einem glücklichen, die Welt bereichernden Menschen heranwachsen (s. Barack Obama u.v.a.). Und natürlich kann auch alles – auch die scheinbar beste aller Familien – leider, leider in einer Tragödie enden.
Das macht eben auch eine allgemeine Regelung unmöglich. Jeder Fall ist anders, jede Familie ist anders organisiert. Daher muss auch dieser Pluralismus gewahrt werden.
Und natürlich gibt es sie, die Gewaltfälle, die nicht mit Regelungen für die „ganz normalen Trennungsfälle“ zu vergleichen sind, so wie das heute noch viel zu oft passiert. Auch da brauchen wir mehr Modelle und Herangehensweise, damit wir mit den uns heute schon möglichen Mitteln, hier unterscheiden lernen und diese Umstände schnell erkennen und analysieren können. Eine Behörde, wie z.B. das Jugendamt oder ein Familiengericht, mit ihren fragwürdigen Gutachtern, kann das in der Regel nicht.
Natürlich muss es keine Hysterie geben, keine rigorosen Beschlüsse. Und natürlich kann kein Gremium von 318 EU-Menschen (und nochmal der selben Anzahl von Stellvertreterinnen), die im fernen Strassburg sitzen und die keiner kennt, über das Schicksal von rund 500 Millionen EU-Europäern und -Europäerinnen bestimmen wie es von den Väteraufbruchs-Trollen kolportiert wurde alles über einen Kamm scheren.
Familienverantwortung sollte Unterrichtsfach werden
Und natürlich reicht es, wie beim Thema „Frauenquote“ auch zum Thema „Väter“ eine Diskussion anzufachen, Hilfe und Beratung anzubieten, Väter dahin zu fördern und zu unterstützen, gute Väter zu sein und Mutter anzuhalten – auch nach der Trennung – zu vertrauen und die Zeit mehr für sich zu nutzen.
Aber das braucht Zeit und es ist noch immer offen, ob es die Menschen überhaupt wollen. Wahrscheinlich wird am Ende es so sein, dass eine ganze Palette an Familienmöglichkeiten gibt und die große und schwere Fragen für jede einzelne wird sein: Was ist das richtige für MICH?
Und wer weiß, nein, Quatsch, natürlich wird es eines gar nicht mehr so fernen Tages plötzlich ganz normal sein. Das Zwang-Wechselmodell hilft dabei aber garantiert nicht. Im Gegenteil.
https://www.youtube.com/watch?v=9GlP1-VLLv0
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