Ich wurde ja gefragt, warum ich hier schreibe (s. vor-vorletzter Eintrag), hier ist die Antwort:

Es gab wohl noch nie so viele allein erziehende Mütter in Deutschland wie heute. Und es werden immer mehr: In Berlin leben in einigen Stadtteilen inzwischen fast die Hälfte der Eltern getrennt. Tendenz steigend. Der Grund ist simpel: Noch nie war Scheidung/Trennung so einfach und so billig und noch nie fragten sich so viele, wozu die Ehe (heute) eigentlich noch gut sein soll.

Offiziell sind 1,7 Millionen Deutsche alleinerziehend. Die meisten davon sind weiblich: 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Mütter. Nach einer Trennung wuppen sie den Großteil der Erziehungsarbeit und meistens müssen sie sich und ihre Kinder finanziell alleine (denn nur ein Drittel der Väter zahlt Unterhalt, doch selten so viel, dass man davon leben könnte) durchbringen. Das ist viel Verantwortung und noch mehr Arbeit – aber null Anerkennung.

Doch das ist nicht das einzige Manko: Gesellschaftliche Ausgrenzung, sozialer Abstieg, klischeehafte Vorurteile, Bevormundung und Drangsalierung von Jugendämtern und Familiengerichten, viel zu wenig Geld, eine drohende Altersarmut, eine zu hohe Doppelbelastung, keine Ruhemöglichkeiten, Schikanen durch Ex-Partner und nicht zuletzt gesundheitliche und psychische Belastungskrankheiten bedrohen die Existenz und Gesundheit dieser Frauen, von denen ich auch eine bin.

Für viele von uns ist das – neben dem Verlust der Partnerschaft und der Ehe und den persönlichen Schuldgefühlen – äußerst schmerzhaft und dauerhaft psychisch belastend. Für unsere Kinder kann es schlimme Folgen haben.

Alleinerziehend werden – anstatt gestärkt – durch mehrere Gesetze benachteiligt. Steuerrechtlich werden sie auf Grund des fehlenden Ehestatus benachteiligt. Ein verheiratetes Paar ohne Kinder steht steuerrechtlich besser dar, als eine geschiedene, alleinerziehende Mutter mit drei Kindern. Nur eines von vielen Bespielen. Nicht Alleinerziehend-sein ist das Problem, sondern häufig auch die ungleichen Steuergesetze und gesellschaftliche Strukturen, die darauf ausgelegt sind, dass eine Mutter immer verheiratet ist oder von ihrem Mann versorgt wird …

Und: Alleinerziehenden haftet immer noch das Manko der Versagerin oder der komplizierten Zicke, manchmal sogar der Asozialen oder sonstige Vorurteile, oft sexistischer Natur, an. Sie müssen sich von Behördenmitarbeitern Beleidigungen wie „Sie haben dem Mann die Kinder angehangen“ oder „sie sind doch nur neidisch auf ihren Ex-Mann“ oder auch beliebt „Sie entziehen dem Vater die Kinder!“ gefallen lassen.

Wir gelten in den Augen anderer nicht selten als „schlechte Partnerinnen“, die nicht in der Lage waren, den Mann „zu halten“ oder die „zu fordernd“ waren. Niemand fragt, was wirklich passiert ist, meistens wird über unsere Köpfe hinweg (vor)geurteilt. Es reden Leute über uns, die uns nicht kennen, denen es darum geht, unsere Leistung und Freiheit, vielleicht auch unseren Mut zu diskreditieren.

Wir sind ja auch leichte Opfer: Wir haben ja niemanden, der für uns gerade steht, der uns verteidigt.

Die Behörden haben, sobald sich ein Elternteil an das Jugendamt wendet, das Recht in unserem Privatleben herumzustöbern und uns Ansagen zu machen, die wir zu befolgen haben. Dabei ist es unerheblich, ob wir eine gute Erziehungsarbeit leisten. Ausschlaggebend ist hier die Aussage des Ex-Partners, die nicht überprüft wird (wie auch). Statt uns nach unseren Problemen zu fragen und uns zu helfen, werden uns Kontrolleure ins Haus geschickt, die uns und unsere Kinder begutachten (meistens einfach ausgebildete Behördenmitarbeiter, die wenig Zeit und Engagement bei mäßiger Bezahlung mitbringen), deren abschließenden Bestimmungen wir Folge zu leisten haben.

Das Gleiche gilt für die Amtsrichter an den Familiengerichten. Dort bestimmen die Richter, wie wir unsere Kinder zu erziehen haben, wie wir unser Leben zu führen haben – dafür reicht es, dass der Ex-Partner einen entsprechenden Antrag beim Gericht einreicht. Wir sind den Schikanen schutzlos ausgeliefert. Und die Kinder werden sogar vor Gericht geladen und müssen dieser Farce beiwohnen! Und der Richter verkündet dann noch, dieses System wäre zum „Wohle des Kindes“.

Was tatsächlich passiert ist, dass wir unserer Rechte als Mütter und Elternpartner entledigt und vor unseren Kindern entmündigt werden – und das einzig und allein dem Grund, dass wir alleinerziehend sind. Und dass, obwohl dieser Umstand dem Grundgesetz, Artikel 6, Absatz 5, widerspricht. Denn dort steht:

„Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.“

Doch es sieht so aus, als habe der Staat die Alleinerziehenden vergessen. Zudem wurden sukzessive alle Gesetze, die einst zum Schutz der Familie und Absicherung auch im Trennungsfall für Mütter geschaffen wurden, in den letzten Jahren still und heimlich abgeschafft, u.a. das Scheidungs- oder Unterhaltsrecht. Männer müssen nun nicht mehr für ihre Ehefrauen nach einer Scheidung sorgen – denn die kann ja Vollzeit arbeiten, finden die Jugendämter und die Familiengerichte. Dumm nur, wer wegen der Familie und Kinder die letzten zehn Jahre zu Hause geblieben ist …

Ich möchte mit meinem Blog dazu beitragen, dass hier zum einen, die Leistungen der alleinerziehenden Mütter anerkannt werden und Gegebenheiten für mehr Unterstützung und politische und rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden. Außerdem wünsche ich mir die Gleichstellung jeglicher Familienform und dass alleinerziehende Mütter selbst mehr Selbstbewusstsein entwickeln und ihre Leistung für sich (an)erkennen und stark werden für sich und ihre Kinder.

Und letztendlich möchte ich auch die verheiraten Mütter erreichen, damit sie sich gut aufstellen und ihre Rechte für den Fall der Fälle kennen und abgesichert sind. Denn die meisten Mütter wissen nicht, was ihnen blüht, wenn sie mit ihren Kindern plötzlich alleine dastehen …

https://www.youtube.com/watch?v=Kwm2RYBVR4U

 

 

4 Antworten

  1. Diese Seite spricht mir aus der Seele. Genauso ist es und es ist unfassbar, wie wenig Anerkennung eine Alleinerziehende für ihren Mut und Stärke erhält, denn Anerkennung ist wichtig und macht stark. Stattdessen müssen wir uns mit Vorurteilen herumplagen und es stimmt, alle einst geschaffenen Gesetze FÜR uns sind in den letzten Jahren abgeschafft worden. Ich persönlich habe zwei Kinder 25 Jahre allein großgezogen und bis heute absolut keine Anerkennung dafür erhalten. Statt dessen ohne Ende Ausgrenzung, selbst von verheirateten Geschwistern. An den Spätfolgen leide ich heute noch.

  2. ???
    Ich wohne in Baden-Württemberg an der bayerischen Grenze in einem Dorf. Hier gibt es kaum Alleinerziehende. Was mich auch ärgert, ist dass auf den Info Zetteln aus der Schule immer „wir……. unser Kind……“ so geschrieben wird. Ich finde das total diskriminierend. Das hört sich eigentlich unwichtig an, trotzdem zeigt es daß in den Köpfen der Menschen hier das Familienbild aus Mutter und Vater besteht. Ich streich immer das wir und ersetze es durch ich, und unser Kind wird zu meinem Kind.
    Dies nur am Rande, eine von vielen Spitzen welche man als alleinerziehend ausgesetzt ist.

    1. Liebe Evelyn,

      Danke Dir für diesen Beitrag. Es fehlt – obwohl unsere Gesellschaft schon lange, lange so bunt ist – doch der Blick für die Vielfalt. Ich werde das mal zum Anlass nehmen und demnächst einen Bericht schreiben. Denn da muss sich tatsächlich mehr tun!

      Beste Grüße aus Berlin

  3. Ich bin Alleinerziehende seitdem meine Tochter 5 Monate alt ist.Heute ist sie 11 Jahre alt.Und ich muss sagen,mein Leben ist seitdem ein einziger Kampf geworden.Ich kämpfe damit ich in die Arbeit gehen kann,ich kämpfe gegen die ständigen Vorwürfe meiner Mutter die meine Tochter während meiner Arbeitszeit betreut, ich kämpfe alles bezahlen zu können,ich kämpfe meinen Lebensmut nicht zu verlieren,ich kämpfte,als ich krank wurde wieder gesund zu werden.Und ich kämpfe und kämpfe,und ich weiß nicht wie lange ich diesen Kampf noch gewinnen werde.

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